Graz

1945–2003

1945–2003
Graz 1945–2003
Einleitung anhören

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist Graz zunächst von russischen Truppen besetzt und schließlich Teil der britischen Besatzungszone. Die Stadtbevölkerung steht vor den Trümmern des Krieges, Entnazifizierungsprozessen und den Herausforderungen des Wiederaufbaus. In den folgenden Jahrzehnten muss sich die Öffentlichkeit mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandersetzen. Vehement wird dies seit den 1980er-Jahren im Rahmen von Kunstprojekten eingefordert.

Der Weg von der „Stadt der Volkserhebung“ zur „Stadt der Menschenrechte“ 2001 vollzieht sich nicht geradlinig und kann bis heute nicht als abgeschlossen gelten. Sozialpolitische Themen wie die Gleichberechtigung der Frau, die Rechte von Homosexuellen, der Umgang mit kultureller Vielfalt in der Stadt und Toleranz prägen die Zeit von 1945 bis heute. Auch Stadtplanung, Wohnbau und Verkehr sind wichtige Themen. 2003 bildet einen Höhepunkt in der jüngeren Geschichte: Graz wird zur Kulturhauptstadt Europas ernannt.

Trassenvarianten der Pyhrn-Autobahn durch Graz MVD Austria / Graz Museum, 2019

Die autogerechte Murvorstadt

Eine Autobahn über die Mur, quer durch ein Wohngebiet oder durch den Plabutsch? Das explosionsartige Wachstum des innerstädtischen Autoverkehrs stellte Graz ab den 1950er-Jahren vor große Herausforderungen. Hinzu kam der Verkehr durch die nach Norden strömenden „Gastarbeiter*innen“ aus Jugoslawien. 1970 beschloss der Gemeinderat unter dem sozialdemokratischen Bürgermeister Gustav Scherbaum, die Strecke durch Graz als eine Unterflurtrasse durch die Arbeiterwohngebiete im Westen zu führen. Eine Bürgerinitiative bildete sich, das Projekt Stadtautobahn wurde verhindert. Als Ersatz wurde 1987 der Plabutschtunnel eröffnet.

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Nachdem Hans Haacke die Mariensäule am Eisernen Tor mit einer an die national­sozialistische Kundgebung von 1938 gemahnenden Ummantelung versieht, wird diese von Rechtsextremen in Brand gesteckt.

Und ihr habt doch gesiegt Hans Haacke, 1988

„Schuld und Unschuld“

Die (fehlende) Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit in Österreich wurde spätestens ab den 1980er-Jahren auch von Künstler*innen kritisiert. Auf Initiative des Grazer Kunsthistorikers Werner Fenz schuf der Künstler Hans Haacke im Rahmen des steirischen herbst 1988 eine Rekonstruktion des Obelisken, mit dem die Nationalsozialist*innen 1938 die Mariensäule am Eisernen Tor ummantelt hatten. Das Siegeszeichen war damals als Anerkennung für die „Stadt der Volkserhebung“ gedacht gewesen. Haacke machte mit seinem Mahnmal auf die Verbrechen der NS-Zeit aufmerksam. Rechtsextreme steckten es in Brand. Die Öffentlichkeit reagierte umgehend mit Demonstrationen am Fuß des verbrannten Obelisken.

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Kommen, bleiben, weiterziehen: Migration als ständige politische Herausforderung

Migration prägt die Grazer Geschichte von der ersten Besiedelung an. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges war Graz für viele Überlebende des Holocaust Zwischenstation auf der Weiterreise in die USA oder nach Palästina. Ehemalige Zwangsarbeiter*innen, Kriegsgefangene und die von den Nationalsozialist*innen so bezeichneten „Volksdeutschen“, die aus ehemals besetzten Ländern flüchteten, wurden zu Tausenden in Notunterkünften untergebracht.

Ab 1948 flohen Jüdinnen und Juden vor den „Stalinschen Säuberungen“ aus der Sowjetunion nach Graz, ab 1956 politische Flüchtlinge aus Ungarn, der Tschechoslowakei und Polen. Über 90.000 Menschen flohen aufgrund der Kriege in den 1990er-Jahren aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Österreich bzw. Graz.

Bis heute stellt Migration eine Herausforderung für Stadtpolitik und Zivilgesellschaft dar, zuletzt ausgelöst durch den Krieg in Syrien. Als politische Interessenvertretung und Beratungsstelle wurde vom Grazer Gemeinderat 1995 der MigrantInnenbeirat eingerichtet.

Legende

Grenze nach 1945

Grenze 2016

Migration 1945–1955

Migration 1956–1982

Jüdische Migration nach 1945

shape-square Created with Sketch. Projekt Stadt

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das stadtbürgerliche Projekt unter Bürgermeister Eduard Speck weiterverfolgt. Seine wichtigste Aufgabe war der Kampf gegen Hunger, Frost und Wohnungsnot in der von Brit*innen verwalteten Stadt.

Nach dem Abzug der britischen Besatzung 1955 wurde das Projekt Stadt als Stadtpolitik von oben verstanden. Ab den 1970er-Jahren allerdings setzten die Grazer*innen in Form von zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen vermehrt ihr Recht auf Mitbestimmung und Mitgestaltung durch.

Ähnlich dem stadtbürgerlichen Prinzip des Mittelalters dominiert heute der Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben mündiger Bürger*innen, die sich selbst organisieren und gemeinsam mit der Stadtpolitik im öffentlichen Diskurs Entscheidungen treffen. Orientierung am Gemeinwohl, eine offene Gesellschaft, Gewaltlosigkeit und Toleranz gehören zum Selbstverständnis und Eigenrecht der Stadtbürger*innengesellschaft – heute wie damals.

shape-circle Created with Sketch. Geschlechterrollen

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein reaktionäres Geschlechterbild propagiert. Das Klischee-Paar der 1950er-Jahre: ein nur für die Familie arbeitender Mann und eine ihn bedingungslos unterstützende, kinderliebende Hausfrau.

Gegen die einengenden Geschlechtszuschreibungen formierte sich in den ausgehenden 1960er-Jahren eine „neue Frauenbewegung“. Ihre Vertreter*innen forderten mit aufsehenerregenden sozialen und künstlerischen Interventionen eine Gleichstellung in allen Belangen des privaten und öffentlichen Lebens. Unter ihrem Druck erhielten Frauen rechtliche Eigenständigkeit und größeren politischen Einfluss.

Die Aufbruchsstimmung ermutigte Aktivisten jedes Geschlechts und jeder Sexualität: sie erkämpften Antidiskriminierungsgesetze. Die verfassungs- und menschenrechtlich verpflichtende Gleichheit der Geschlechter bzw. Gegenstandslosigkeit der sexuellen Orientierung wurde 2019 mit der gleichgeschlechtlichen Ehe umgesetzt.

shape-triangle Created with Sketch. Vielfalt

Das 20. Jahrhundert ist durch massenhafte Migrationsbewegungen geprägt. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs und danach fanden unter den Gewalt-Regimen und der territorialen und sozialen Entwurzelung die größten Wanderungen der Neuzeit statt. Viele der verfolgten oder staatenlos gewordenen Menschen suchten in Graz Zuflucht. Die Zuwanderung von Gastarbeiter/-innen, vor allem aus Spanien, der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien förderte in den Nachkriegsjahrzehnten auch das Wirtschaftswachstum.

Ab den 1980er-Jahren wurde Österreich vermehrt mit seiner verdrängten Verantwortung während des NS-Regimes konfrontiert, nicht zuletzt im Zuge der Waldheim-Affäre. Die 1983 initiierte Wiedererrichtung der Synagoge in Graz weckte die Erinnerung an die NS-Pogrome, die Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung. In der „Stadt der Volkserhebung“, seit 2001 Menschenrechtsstadt, zeigt sich bis heute ein besonderes Spannungsverhältnis zwischen Verdrängung und öffentlicher Aufarbeitung.

shape-rectangle Created with Sketch. Stadtbilder

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Graz rund die Hälfte aller Gebäude wiederaufzubauen oder neu zu errichten. Barackensiedlungen waren Teil des Stadtbilds in den Außenbezirken. Nach und nach wurden auf jenen Flächen, die seit der Eingemeindung 1938 zur Stadt gehörten, in ungeordneter Bebauung Ein- und Zweifamilienhäuser errichtet.

In den 1970er-Jahren reifte das allgemeine Bewusstsein sowohl für den kulturellen Wert historischer Bausubstanz als auch für die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch zu viel Autoverkehr. Heute gehören Teile der Innenstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe und 1972 wurde im Bereich der Innenstadt eine Fußgängerzone errichtet.

Die Frage der Verkehrsbelastung, insbesondere die Gestaltung des öffentlichen Verkehrs, auch zur Eindämmung des Feinstaubs, birgt nach wie vor Diskussions- und Handlungspotential. In welcher Form die Stadt in „menschengerechter“ Gestalt weiterentwickelt werden soll, wird Graz auch in Zukunft beschäftigen.

Elisabethhochhaus

Wer im Elisabethhochhaus in grenzenloser Freiheit wohnt, hat einen eindrucksvollen Ausblick auf die Altstadt. Wer auf das Hochhaus schaut, wundert sich über einen seltsamen „Fehler“ im städtischen Gefüge. Über eine Bauhöhe, die bis dahin nur Gotteshäusern zugestanden wurde. Während man in den Randbezirken Wald- und Wiesenflächen für Einfamilienhäuser verbrauchte, sorgt das Elisabethhochhaus immerhin für eine extreme vertikale Nachverdichtung. Geplant in einer Zeit großer Wohnungsnot, wurde es zwischen 1964 und 1966 erbaut – exakt zur Zeit der Aktion „Rettet die Altstadt“.

Hugo-Wolf-Gasse 10, 8010 Graz

Elisabethhochhaus

Wer im Elisabethhochhaus in grenzenloser Freiheit wohnt, hat einen eindrucksvollen Ausblick auf die Altstadt. Wer auf das Hochhaus schaut, wundert sich über einen seltsamen „Fehler“ im städtischen Gefüge. Über eine Bauhöhe, die bis dahin nur Gotteshäusern zugestanden wurde. Während man in den Randbezirken Wald- und Wiesenflächen für Einfamilienhäuser verbrauchte, sorgt das Elisabethhochhaus immerhin für eine extreme vertikale Nachverdichtung. Geplant in einer Zeit großer Wohnungsnot, wurde es zwischen 1964 und 1966 erbaut – exakt zur Zeit der Aktion „Rettet die Altstadt“.

Hugo-Wolf-Gasse 10, 8010 Graz

Tiefgarage, Andreas-Hofer-Platz

Das fahle Licht des Leuchtmastens am Andreas-Hofer-Platz erhellt eine dem Autoverkehr dienende Infrastruktur, mit der 1966 eine Baulücke besetzt wurde. Bis 1934 stand dort, am Fischplatz, das von Joseph II. aufgehobene, zum k. k. Monturdepot gewordene Karmeliterinnenkloster. Tiefgarage, Autovermietungspavillon und Lichtturm künden von einer Zeit, in der in Graz Vieles der Motorisierung geopfert werden sollte. Der „autogerechten Stadt“ antworteten um 1980 unter anderem die von Erich Edegger angeführten Raddemonstrationen und die Gründung der Alternativen Liste Graz.

Andreas-Hofer-Platz 133/2, 8010 Graz

Tiefgarage, Andreas-Hofer-Platz

Das fahle Licht des Leuchtmastens am Andreas-Hofer-Platz erhellt eine dem Autoverkehr dienende Infrastruktur, mit der 1966 eine Baulücke besetzt wurde. Bis 1934 stand dort, am Fischplatz, das von Joseph II. aufgehobene, zum k. k. Monturdepot gewordene Karmeliterinnenkloster. Tiefgarage, Autovermietungspavillon und Lichtturm künden von einer Zeit, in der in Graz Vieles der Motorisierung geopfert werden sollte. Der „autogerechten Stadt“ antworteten um 1980 unter anderem die von Erich Edegger angeführten Raddemonstrationen und die Gründung der Alternativen Liste Graz.

Andreas-Hofer-Platz 133/2, 8010 Graz

Stadthalle Graz

Messeareale, sporadisch genutzt, sind selten auf der Schauseite der Stadt. Die wachsende, wirtschaftlich aufstrebende Kulturhauptstadt hat im Jahr 2003 mit der Messehalle einen anderen Qualitätsakzent gesetzt. Die von Süden kommenden Besucher*innen begrüßt das kühne Flugdach des Grazer Architekten Klaus Kada von Weitem mit einladender Geste. Mit diesem Meisterwerk der Ingenieurbaukunst, auf vier Stützen aufruhend, hatte Graz eine repräsentative Halle für große Events und gab damit auch den Startschuss für ein urbanes (Sub-)Zentrum zwischen gründerzeitlicher Stadt sowie Baumärkten und Tankstellen.

Messeplatz 1, 8010 Graz

Stadthalle Graz

Messeareale, sporadisch genutzt, sind selten auf der Schauseite der Stadt. Die wachsende, wirtschaftlich aufstrebende Kulturhauptstadt hat im Jahr 2003 mit der Messehalle einen anderen Qualitätsakzent gesetzt. Die von Süden kommenden Besucher*innen begrüßt das kühne Flugdach des Grazer Architekten Klaus Kada von Weitem mit einladender Geste. Mit diesem Meisterwerk der Ingenieurbaukunst, auf vier Stützen aufruhend, hatte Graz eine repräsentative Halle für große Events und gab damit auch den Startschuss für ein urbanes (Sub-)Zentrum zwischen gründerzeitlicher Stadt sowie Baumärkten und Tankstellen.

Messeplatz 1, 8010 Graz

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    Server Error

    Server Error

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    error 500 | 7. 12. 2024 14:58