Richard Kriesche: Marienlift (Dokumentation der Kunstinstallation) Gernot Rath, 2003 – 2007

Ein kaiserlich verordnetes Siegeszeichen

Die Mariensäule war Teil einer Propagandastrategie, die den Sieg der Habsburger über die Osmanen als Triumph des Christentums über den Islam feierte. Mit der Einführung eines Marienfeiertages wollte Graz den Schutz vor osmanischen Angriffen erbitten. Kaiser Leopold I. empfahl jedoch, eine Säule nach Wiener Vorbild zu errichten. Sie wurde 1670 nach dem Entwurf des Baumeisters Domenico Sciassia auf dem Grazer Karmeliterplatz eingeweiht. 1796 wurde sie auf den Jakominiplatz verlegt. Als die Mariensäule 1928 an ihren heutigen Standort am Eisernen Tor kam, wurde sie in „Türkensäule“ umbenannt und die osmanische Bedrohung erneut in Erinnerung gerufen.

Film (Ausschnitt), 2:00 min
Leihgeber: ORF Steiermark
ORF Steiermark

Mondsichelmadonna

Die barocke, vergoldete Marienfigur der Grazer Mariensäule wurde 1670 der „Unbefleckten Empfängnis Mariä“ geweiht und auf einer korinthischen Bronzesäule errichtet. Das Motiv der „Mondsichelmadonna“ oder auch „Strahlenkranzmadonna“ geht auf die Offenbarung des Johannes zurück. Die zwölf Sterne im Heiligenschein Marias repräsentieren die zwölf Stämme Israels. Der Mond, auf dem Maria steht, symbolisiert laut Johannes das besiegte Böse im apokalyptischen Gefecht. Seit dem 15. Jahrhundert ist diese Art der Mariendarstellung sehr beliebt.

Sieg über die Feinde des katholischen Glaubens

In der Symbolik der katholischen Kirche und ihrer weltlichen Vertreter*innen wurde das Böse mit den Osmanen und auch den Protestant*innen gleichsetzt. Vor wem die Mutter Gottes schützen sollte oder wer das Böse verkörperte, entsprach der Erzählung der Herrschenden.

In Auftrag gegeben wurde die Mariensäule von den habsburgischen Herrschern. Damit erinnerten sie demonstrativ an den Sieg über die osmanischen Heere in der Schlacht im burgenländischen Mogersdorf 1664. Auf diese Weise verankerten sie die religiös überhöhte Deutung dieses Ereignisses im kollektiven Gedächtnis.

Triumph des Grazer Bürgertums

Die Mariensäule wurde 1796 vom Karmeliterplatz auf den Jakominiplatz versetzt. Dem Stadtteilgründer Andreas Edler von Jakomini war es ein Anliegen, die von ihm neu gegründete Vorstadt aufzuwerten. Die Mariensäule wurde zum Wahrzeichen des aufstrebenden Bürgertums.

Bei ihrer Einweihung beschwor man erneut die Erinnerung an das Feindbild der „Türken“ – verstärkt durch die Vorstellung, der Säulenschaft sei aus Kanonenkugeln gegossen worden. Auch auf das neue Feindbild der Franzosen und die „Franzosengefahr“ wurde verwiesen. Im 19. Jahrhundert erhielt die Grazer Mariensäule auch den Beinamen Siegessäule.

Erinnerung an die „Türkenkriege“

In der Zwischenkriegszeit, insbesondere durch die „Ständestaat“-Diktatur, wurde eine neue Propaganda in Bezug auf die „Türkenkriege“ und das Feindbild der „Türken“ betrieben. Aufgrund von Verkehrsproblemen unterzog man 1927 den Jakominiplatz einer Neugestaltung. Der Verein Heimatschutz setzte sich dafür ein, dass die Mariensäule an einer gut sichtbaren Stelle in der Innenstadt verblieb und in „Türkensäule“ umbenannt wurde. Seit 1928 steht die Mariensäule am Platz Am Eisernen Tor.

Diese erneute Versetzung verursachte große Aufregung – es kursierten Gerüchte, dass ein Kriegsschatz aus der Zeit der „Türkenkriege“ in der Säule verborgen sei. Vor einer großen Zuschauermenge bestieg 1927 der Grazer Stadtrat Uhrner nach Abtragung der Marienfigur die leere Säule und bekräftigte: der Ausblick sei „entzückend“.

Nationalsozialistisches Siegeszeichen

Der zentrale Standort und die symbolische Aufladung der Mariensäule wurden auch von der nationalsozialistischen Propaganda aufgegriffen. In einer groß inszenierten „Totengedenkfeier“ am 25. Juli 1938, wenige Monate nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland, wurde die Mariensäule monumental verkleidet. Der 20 Meter hohe, mit rotem Fahnenstoff und nationalsozialistischen Emblemen eingefasste Obelisk stellte den Höhepunkt der propagandistischen Schau in Graz dar.

Im Rahmen der Inszenierung wurde der Stadt ein „Ehrentitel“ verliehen: Zum Dank für die beharrliche nationalsozialistische Betätigung vor dem „Anschluss“, insbesondere den Putschversuch 1934, durfte Graz fortan den Titel „Stadt der Volkserhebung“ führen.

Und ihr habt doch gesiegt, Hans Haacke, 1988

Kunst als Mahnmal

Als der Künstler Hans Haacke 1988 dieses monumentale „Siegesmal“ erneut über der Mariensäule rekonstruierte und zum Mahnmal umdeutete, kam es zu einem Brandanschlag mit rechtsradikalem Hintergrund. Die Marienfigur wurde dabei stark beschädigt und konnte erst nach aufwendiger Restauration 1990 wieder aufgestellt werden.

> Link zu Haacke

Ein Zeichen der Demokratie

Ihre letzte Umdeutung erfuhr die Mariensäule im Kulturhauptstadtjahr 2003. Der Medienkünstler Richard Kriesche installierte den Marienlift, mit dem eine neue Perspektive auf die Stadt und das Denkmal eingenommen werden konnte. Kriesche verstand den gläsernen Lift als ein Symbol für eine egalitäre, demokratische Gesellschaft: Durch ihn können sich die Bürger*innen, jede Frau und jeder Mann, auf Augenhöhe mit der Heiligen begeben. Sie können sich abseits der weltlichen und religiösen Deutungen selbst ein Bild machen. Durch die demokratische Erhöhung gibt es keine Herrschenden mehr, die über dem Volk stehen.